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An: Bundesrätin Karin Keller-Sutter, SEM-Direktor Mario Gattiker sowie die National- und Ständerät:innen

Gegen legales Unrecht und für ein humanes Asylverfahren für Menschen aus altrechtlichen Verfahren

Wir fordern:
- Transparenz in den Kantonalen Härtefallkommissionen
- Kantonale Rechtswege und Beschwerderechte
- Eine einmalige Regularisierung für Menschen aus dem altrechtlichen Asylverfahren
- Ein vereinfachtes Härtefallverfahren

Menschen, die ihre Asylanträge vor dem 28. Februar 2019 und somit im altrechtlichen Verfahren eingereicht hatten, durchlebten oft langwierigere Verfahren, die sich über Jahre hinzogen. In dieser Zeit haben sich viele Asylsuchende sehr gut integriert und in der Schweiz eine neue Heimat gefunden. Viele leben seit über 5 Jahren allein von der Nothilfe in der Schweiz. Nun werden sie mit einer moralisch und bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte hochgradig bedenklichen Praxis zur Ausreise aus der Schweiz bewegt.
Es ist eine unhaltbare Situation. Eine Ausreise ist den meisten Betroffenen nicht zumutbar. Dennoch werden sie durch die Behörden isoliert, um mit finanzieller «Rückkehrhilfe“ und Ausschaffungs-Drohung, Druck zur „freiwilligen“ Ausreise aus der Schweiz zu machen. Die Situation der geflüchteten Menschen wird nur nach fremdenpolizeilichen und Vollzugs-technischen Kriterien beurteilt, individuelle Umstände werden übergangen. Im Zuge der geforderten freiwilligen Ausreise kommt es gar zu vorsorglichen Inhaftierungen und „Beugehaft“ von unschuldigen und bereits traumatisierten Menschen. Menschen, die ein Teil unserer Gesellschaft sind, die sich hier zuhause fühlen und einen Beitrag an die Gesellschaft leisten möchten. Dieses Vorgehen ist ein praktiziertes, legales Unrecht und der Schweiz nicht würdig. Aus diesem Grund fordern wir die zuständigen Verantwortlichen auf Bundes- und Kantons-Ebene zu einem transparenten Vorgehen zwecks Regularisierung auf. Dies lohnt sich ausserdem auch finanziell für den Bund und die Kantone, da diese Menschen endlich erwerbstätig und damit selbstständig werden dürfen. Denn der Langzeitbezug von Nothilfe, die Unterbringung in Rückkehrzentren und die Administrativhaft sind äusserst kostenintensiv.

Wir Unterzeichnenden fordern von der zuständigen Bundesrätin Karin Keller-Sutter, von den National- und Ständerät:innen sowie dem SEM-Direktor Mario Gattiker (sowie für den Fall L. stellvertretend auch vom Berner Regierungsrat Philippe Müller und den Grossrät:innen):

- Auf nationaler Ebene wird ein vereinfachtes Härtefallverfahren mit einer zuvor festgelegten Abwägung der Kriterien (in Absprache mit den kantonalen Behörden und dem SEM) eingeführt, damit eine vereinheitlichte Regularisierung für nothilfebeziehende Menschen aus altrechtlichen Asylverfahren gesamtschweizerisch beschleunigt werden kann.

- Auf kantonaler Ebene je eine Härtefallkommission bestehend aus Vertretenden der zuständigen Direktionen sowie aus Migrationsfachleuten von Hilfswerken, Asylvereinigungen und Politik. Integrationsperspektiven müssen stärker gewichtet werden als der sofortige Vollzug von Ausschaffungen. Für die Beurteilung von Härtefall-Gesuchen ist der Lebenslauf mit den Integrationsbeweisen entscheidend, das abgeschlossene Asylverfahren ist nicht mehr ausschlaggebend.

- Eine gerichtliche Überprüfbarkeit durch das Schaffen kantonaler Rechtswege und Beschwerderechte. Diese führen zu einer höheren Legitimation der getroffenen Entscheide und tragen aufgrund der uniformeren Rechtsauslegung zur Entwicklung einer national einheitlichen und humanitären Bewilligungspraxis bei.

- Die Bundesversammlung stimmt der Motion 21.3187 „ausserordentliche humanitäre Aktion für Nothilfe beziehende Personen aus altrechtlichen Asylverfahren“ zu.
Die Motion von Nationalrätin Marianne Streiff-Feller fordert den Bundesrat auf, eine einmalige Möglichkeit zur aufenthaltsrechtlichen Regularisierung für Personen aus dem altrechtlichen Verfahren mit klaren und objektiven Kriterien zu schaffen. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffenden Menschen willens und in der Lage sind, sich in der Schweiz zu integrieren. Dazu gehört, dass sie nicht straffällig geworden sind und sich eine Landessprache auf Niveau A2 angeeignet haben. Hier geht es zum Text der Motion: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20213187

Warum ist das wichtig?

Der Fall L.:
Ein Opfer der aktuellen Regelung ist Loki, der ursprünglich aus Bangladesch stammt, aber seit Februar 2014 in der Schweiz lebt. Loki ist mittlerweile ein lizenzierter Badminton-Clubspieler, schloss das Deutsch-Niveau B1 ab, besuchte einen Pflege-Fachkurs, hat einen erweiterten Freundes- und Familienkreis in der Schweiz und leistet Freiwilligen-Arbeit. Er ist ein Mensch mit fortgeschrittener Integration – hat aber Berufsverbot. Mehrere Stellenangebote durfte er nicht antreten.
Im April 2019 übernahm die Schweiz die „EU Standard Operations-Prozeduren“, um Rückführungen nach Bangladesch unter Zwang durchführen zu können. Anfangs 2020 wird durch die Eröffnung der Rückkehr-Zentren zusätzlicher Druck auf den Nothilfe-beziehenden Loki ausgeübt. Für Loki stellt die Ausreise nach Bangladesch eine grosse Gefahr dar. Er stellt ein begründetes Gesuch zum persönlich schwerwiegenden Härtefall.
Der Migrationsdienst des Kantons Bern entschied am 9. Juni 2021, das Gesuch nicht zu bearbeiten. Für diesen Entscheid braucht es nach geltendem Recht weder eine Begründung noch gibt es eine Beschwerde-Möglichkeit.
Am 12. Juli 2021 wurde Loki vorsorglich inhaftiert. Von da an wurde der Druck auf ihn, freiwillig auszureisen, erhöht. Dies zum Beispiel mit der mehrfachen Erhöhung (und Aufdrängen) des Rückkehr-Hilfsgeldes. Am 2. August wurde er sogar mit dem Gefängniszug nach Zürich gebracht, obwohl er immer klar kommunizierte, dass er nicht ausreisen will.
Loki sollte als einer von vielen freiwillig Ausgereisten in der SEM-Statistik erscheinen. Am 3. September 2021 wurde Loki überraschend und ohne jegliche Erklärung freigelassen. Nach wie vor lebt er aber mit der Ungewissheit, ob und wann er wieder inhaftiert wird.
Mehr zu Lokis Fall könnt ihr hier https://journal-b.ch/artikel/geschieht-hier-ein-legales-unrecht/ oder hier https://www.bernerzeitung.ch/der-verzweifelte-kampf-der-freunde-des-berner-ausschaffungshaeftlings-214828490867 nachlesen.
Hier gibt es zudem mehrere Folgen der Web-Serie über den Kampf gegen legales Unrecht im Schweizer Asylwesen: https://vimeo.com/showcase/8872589

Was soll die Petition ändern?
Mit unseren Forderungen wollen wir erreichen, dass die in der Regel weit fortgeschrittene Integration von Menschen im altrechtlichen Verfahren legalisiert wird und dass sich die betroffenen Menschen voll und ganz in die Gemeinschaft einbringen können. Die legale Integration führt unter anderem mittels dem Recht zu arbeiten aus der Abhängigkeit von Not- und Sozialhilfe heraus. Wir wollen ausserdem erreichen, dass menschenrechtsverletzende und entwürdigende Ausschaffungs-Prozeduren verhindert werden und unschuldige Menschen nicht mehr in Administrativhaft kommen. Nicht zuletzt wollen wir die im Vollzug tätigen Menschen vor den ethisch-moralischen Konflikten schützen, die sich mit der aktuellen Regelung stellen.

Hintergrund der Petition:
Diese Petition bezieht sich auf Menschen, die mit dem altrechtlichen Asylverfahren beurteilt wurden. Mit den neuen, beschleunigten Verfahren (gültig seit dem 1. März 2019) leben die geflüchteten Menschen isoliert in Bundes- respektive Rückkehrzentren. Eine ungewollte mehrjährige Integration von abgewiesenen Menschen kann unter dem neurechtlichen Asylverfahren somit gar nicht mehr stattfinden.
Das Problem: das alte Asylrecht hinterlässt bestens integrierte Menschen, die seit mehr als 5 Jahren in die Nothilfe gezwungen werden.
Menschen aus dem Kanton Bern, die ihre Asylgesuche vor dem 28. Februar 2019 eingereicht haben, wurden nach dem alten Asylgesetz behandelt. Diese Menschen durchlebten langwierige Verfahrenszeiten. Viele leben unter erschwerten Bedingungen seit über 5 Jahren hier in der Schweiz und sind oft überdurchschnittlich gut in die hiesige Gesellschaft integriert. Für die abgewiesenen Menschen wie auch für die Gemeinschaft in der Schweiz könnten es Geschichten mit Zukunft sein. Eine freiwillige (selbstständige) Ausreise ist diesen Menschen nicht zumutbar. Zwangsmassnahmen missachten dies jedoch. Da die Kantone nicht verpflichtet sind, Härtefall-Gesuche zu prüfen, werden die einzelnen, individuellen Umstände oft übergangen. Differenziertes und angemessenes Umsetzen im Vollzug muss möglich werden.

Für Menschen, die lange Zeit (5 Jahre und mehr) Nothilfe bezogen, wuchs ihr Bleiberecht durch die aktuelle Lebenssituation mit mehreren Jahren Integration. Ausschliesslich fremdenpolizeiliches und vollzugs-technisches Vorgehen missachtet dies. Geforderte freiwillige Ausreise darf weder durch „Beuge-Haft“ noch durch taktisches Aufdrängen von Bargeldbeträgen erzwungen werden.
Vielmehr sollte in Zusammenarbeit mit der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) die «Kann-Bestimmung» des Art. 14 Abs. 2 (AsylG) für die Härtefallregelung als Chance sofort genutzt werden. Dies entlastet sowohl die im Vollzug tätigen Menschen als auch die Gemeinschaft und verhindert vorsorgliche Inhaftierung von verletzlichen Menschen. Menschen mit all ihren lebendigen Seiten im langjährigen „Dasein“ mit hiesigen Werten, hier inmitten der Gesellschaft! Auch finanziell lohnt sich eine Regularisierung sowohl für den Bund als auch für die Kantone, wenn Menschen erwerbstätig werden dürfen. Eine Anstellung im Arbeitsmarkt gilt seitens GSI als Königsweg der Integration; viele der Betroffenen stehen an der Schwelle dazu!

Neuigkeiten

2021-10-12 16:20:59 +0200

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2021-09-19 16:25:54 +0200

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2021-09-17 18:32:02 +0200

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