An: Bundesrat Ignazio Cassis, EDA

Kein Platz für Neutralität: Die Schweiz muss gegen Kriegsverbrechen im Nahen Osten vorgehen

Sehr geehrter Herr Bundesrat Cassis,

bereits unzählige Appelle, Petitionen und Fürsprachen wurden an Sie beziehungsweise an das EDA gerichtet. 

Die Schweiz muss ihr Schweigen endlich brechen und sich für das Völkerrecht sowie gegen die Kriegsverbrechen im Nahen Osten und deren Legitimierung beziehungsweise Normalisierung einsetzen. Die Geschichte der Schweiz im vergangenen Jahrhundert hat auf tragische Weise gezeigt, welche Konsequenzen es haben kann, wenn sich die Schweiz hinter ihrer Neutralität versteckt und nicht im Sinne ihrer humanitären Tradition handelt. Die Aufarbeitung dauert bis heute an, und der Ruf der Schweiz hat dadurch erheblichen Schaden genommen. Die Geschichte wird auf diese Zeit zurückblicken und ihr Urteil fällen – über jene, die geschwiegen und untätig geblieben sind, und über jene, die sich für die Menschlichkeit eingesetzt haben.

Angesichts der unerträglichen Bilder und Nachrichten aus Gaza und dem Westjordanland müssen die wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und diplomatischen Beziehungen mit Israel überprüft und, wo notwendig, angepasst werden.

Wir fordern daher vom Bundesrat:

  • Eine unmissverständliche Verurteilung der Kriegsverbrechen und völkerrechtswidrigen Aktionen Israels in Gaza und dem Westjordanland durch den Bundesrat.

  • Die Beendigung aller militärischen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Israel.

  • Aussetzung der wirtschaftlichen und akademischen Zusammenarbeit (Freihandelsabkommen, Schweizerischer Nationalfonds und Israel Science Foundation).

  • Einfuhrsperre für Güter und Produkte mit Herkunft aus den besetzten Gebieten.

  • Einfrieren von Vermögenswerten und Einreiseverbote für Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich.

  • Nachdrückliche Forderung des Bundesrates nach einem sofortigen Ende der völkerrechtswidrigen Blockade und der Einstellung aller militärischen Operationen in Gaza und dem Westjordanland.

  • Die Anerkennung des Staates Palästina innerhalb der Grenzen von 1967.

Die zukünftige Reputation und die Glaubwürdigkeit der Schweiz stehen erneut auf dem Spiel. Es ist daher dringend notwendig, dass sich die offizielle Schweiz auf ihre wahren Werte besinnt und endlich konsequent handelt.

Mit bester Hochachtung

Florian Jentzer

Warum ist das wichtig?

Die Welt, insbesondere auch die Schweiz, darf nicht länger wegschauen, wenn vor aller Augen ein Völkermord begangen wird. Die palästinensische Bevölkerung leidet unter ständigen Bombardierungen, Hunger und Durst, ohne dass ein Ende absehbar ist. Nur durch erhöhten Druck auf die israelische Regierung kann gehofft werden, dieses entsetzliche Leiden zu beenden. Gerade jetzt, wo sich die Welt scheinbar abwendet, darf das palästinensische Volk nicht in Vergessenheit geraten. Angriffe auf hungernde Menschen, Krankenhäuser, medizinisches Personal, Schulen und Flüchtlingsunterkünfte sind Kriegsverbrechen. Die Blockade von Nahrungsmitteln und medizinischen Gütern als Kollektivstrafen einzusetzen, ist inakzeptabel. Solche Verbrechen müssen verurteilt und können durch nichts gerechtfertigt werden. Es darf nicht sein, dass solche eklatanten Verbrechen normalisiert werden, denn dies schafft Präzedenzfälle für eine Welt, in der weder wir noch unsere Nachkommen leben wollen. 




Stellungnahme von Campax zur Wortwahl: Immer mehr Organisationen, darunter Amnesty International, vertreten die Ansicht, dass Israel in Gaza einen Völkermord an den Palästinenser*innen begeht. Bisher wurde der Vorwurf juristisch noch nicht bestätigt. Es läuft ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof, das aber noch Jahre dauern kann. In der Geschichte wurden Gräueltaten oft erst im Nachhinein rechtlich als Genozid anerkannt. Als Teil der Zivilgesellschaft benennen wir das, was wir beobachten und wofür es unserer Ansicht nach Anzeichen gibt. Diese Wortwahl versteht sich daher als politischer Ausdruck einer tiefen Besorgnis und nicht als juristische Feststellung.
Schweiz

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